In ihrem Vortrag stellt Professorin Laura King ihre Forschungsergebnisse zum Komplex der Beziehungen zwischen Zufälligkeit, Gelegenheit und Chaos einerseits und der Erfahrung des Sinns des Lebens andererseits vor.
Laura King behauptet, dass einige ihrer Kollegen sagen, dass Sinn des Lebens etwas ist, dass die Menschen konstruieren müssen, um nicht in einer chaotischen Welt unterzugehen und die Orientierung zu verlieren. Ohne die Fähigkeit, in die chaotischen Ereignisse der Welt einen Sinn hinein zu interpretieren, wären wir voller Angst und Furcht über die nächsten Dinge, die in einer chaotischen Welt passieren können.
Nach Auffassung von Professorin King ist das nicht so. Nach ihrer Ansicht leben wir dagegen davon, konstruktive Informationen aus der Umwelt zu gewinnen und darauf aufbauend unser Leben sinnvoll zu gestalten. Die Welt, in der wir leben, ist nach ihrer Ansicht angefüllt mit soliden verlässlichen Tatsachen. Unsere Fähigkeit, Assoziationen anzustellen, funktioniert, weil die Welt nicht chaotisch, sondern verläßlich ist. Die Menschen wissen seit ihrer Geburt, dass sie in einer Welt leben, die von Sinnhaftigkeit erfüllt ist. Schon 6 Wochen alte Babys erwarten, dass die Welt sich nach physikalischen Gesetzen verhält. Babys, denen gezeigt wurde, dass ein Ball gegen die Erwartung auch aufsteigen kann, waren davon überrascht, was sich in ihrem Gesichtsausdruck widerspiegelte. Menschen werden mit der Erwartung geboren, dass das Leben Sinn macht und ihr eigenes Leben einen Sinn hat.
Niemand geht in seinem täglichen Leben davon aus, dass sich die Dinge chaotisch verhalten. Professorin Laura King hat mit ihren Studenten untersucht, ob allein die Tatsache, in einer Welt zu leben, die Sinn macht, dazu beiträgt, unserem Leben selbst einen Sinn zu geben, bzw. diesen zu steigern. Sie zeigten in verschiedenen Versuchsreihen Personen Baumbilder der verschiedenen Jahreszeiten. Das geschah einmal in einer Reihenfolge der natürlichen Abfolge von Frühjahr bis Winter und ein anderes Mal in einer willkürlichen Reihenfolge. Anschließend mussten die Versuchspersonen auf einer Skala von 1 bis 10 bewerten, wie sinnvoll sie ihr Leben einschätzen. Bei der Gruppe, die die Bilder in geordneter Reihenfolge vorgelegt bekam, schätzten die Teilnehmer ihr Leben sinnvoller ein als die Mitglieder der Gruppe, die die Fotos in ungeordneter Reihenfolge erhalten hatten. Weitere Versuchsreihen deckten auf, dass jemand die Sinnhaftigkeit des Lebens höher bewertet, wenn er sein Leben nach einem festen Ablauf gestalten kann, als jemand, bei dem diese Routine gestört ist.
Nach der bestehenden Meinung bedrohen Chaos und Zufälligkeit die Erfahrung von Sinnhaftigkeit des Lebens. Versuchsreihen, die Professorin King und ihre Studenten unternahmen, um diese bisherige Meinung zu überprüfen, erbrachten die überraschende Erkenntnis, dass es gar keinen Einfluss auf die Selbsteinschätzung von Menschen über die Sinnhaftigkeit ihres Lebens hat, wenn man sie mit Ideen von Chaos oder Zufälligkeit konfrontiert und sie anschließend zum Sinn des Lebens befragt.
Untersuchungen im Umfeld der jüngsten US-Wahlen zum Präsidenten bei den verschiedenen Wählergruppen machten bei dem bekannten Wahlausgang auch keine Unterschiede in der Bewertung der Sinnhaftigkeit des eigenen Lebens erkennbar, wenn die Versuchspersonen positive oder negative Emotionen erlebten. Die Anhänger des Clinton-Lagers waren enttäuscht und traurig und die Trump-Gefolgsleute dagegen glücklich und euphorisch. Trotzdem hatte diese unterschiedliche Gefühlslage bei anschließenden Tests keinen messbaren Einfluss darauf, wie die Mitglieder der Versuchsgruppen die Sinnhaftigkeit ihres eigenen Lebens bewerteten.
Sinn des Lebens ist nach Ansicht von Professorin Laura King mit der ganzen Erfahrungswelt des Individuums verbunden und stellt nach ihrer Ansicht kein abstraktes geistiges Konstrukt dar. Es gibt nach Ihrer Auffassung keine fünf oder sechs Wege, um einen Sinn des Lebens zu begründen. Der Sinn des Lebens ist da. Er muss als dieser erkannt und anerkannt werden.
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