Wer sein Wohlbefinden in Bezug auf die Zeit überprüfen und stärken will, kommt nicht umhin, sich klar zu werden, welche Zeitperspektive er hat. Das Ende des Jahres ist dafür eine gute Gelegenheit.
Zeit ist für viele Menschen ein wichtiges Thema. In der Regel haben wir nie genug davon. Zeit ist ein knappes Gut.
Es scheint aber, dass das Gefühl der Zeitknappheit nicht in erster Linie in der verfügbaren Zeit liegt. Oft ist es die mangelnde Fähigkeit der meisten Menschen, mit der Begrenztheit der Zeit umzugehen. Für jemanden, der täglich um eine Stunde mehr für ein Projekt, für die Familie oder das Hobby ringt, hört sich das sicher weltfremd an. Aber nur in einem ausgewogenen Umgang mit der Zeit liegt die Lösung, um sich nicht von Zeitknappheit überwältigen zu lassen. Der Tag hat bekanntlich nur 24 Stunden und lässt sich nicht beliebig verlängern.
Die eigene Zeitperspektive ermitteln
Ein erster Schritt, mit der verfügbaren Zeit besser umzugehen, besteht darin, sich klar darüber zu werden, welche zeitliche Perspektive man hat. Wir hatten in unserem Oktober-Newsletter des vergangenen Jahres bereits über die verschiedenen Zeitperspektiven informiert.
Dr. Ilona Boniwell, die zu den Problemen von Zeit und Wohlbefinden seit Jahrzehnten forscht und dazu promoviert hat, benannte fünf Hauptuntertypen der Zeit. An erster Stelle nannte sie die Zukunftsorientierung. Ein zweiter Typ hat eine negative Einstellung zur Vergangenheit. Eine weitere Typisierung umfasst Personen, die positiv auf die Vergangenheit blicken. Ein vierter Typ erfasst Menschen, die hedonistisch-präsent sind und die Gegenwart genießen. Eine weitere Typisierung zielt auf Menschen, die die Gegenwart eher fatalistisch betrachten.
Konsequenzen unterschiedlicher Zeitperspektiven
Nach meiner Erfahrung fehlt in dieser Aufzählung ein weiterer Typ, der der Gegenwart eudaimonisch-positiv gegenübersteht. Dazu würde ich Menschen zählen, die u.a. wegen ihrer Weltanschauung, ihres Glaubens oder wegen ihres sozialen Engagements die Gegenwart in ihrer Komplexität annehmen, ihre verfügbare Zeit nach den jeweiligen Anforderungen strukturieren und ihre Überzeugung leben. Hier geht es um die Frage nach dem Lebenssinn, der ein wichtiges Forschungsfeld der Positiven Psychologie ist.
Eine nicht geringe Zahl von Forschern steht auf dem Standpunkt, dass ein Fokus auf die Zukunft von grundlegender Bedeutung für das Wohlbefinden ist. Sie gehen dabei davon aus, dass der Mensch wesentlich durch seine Zukunftsorientierung geprägt ist. Das schlüssig zu beweisen, reichen meiner Ansicht aber die bisherigen empirischen Untersuchungen nicht aus. Es bleibt eine These.
Andere meinen, dass eine Orientierung auf die Gegenwart eine wichtige Voraussetzung für das Wohlbefinden ist. Favorit für ein ausgeglichenes Wohlbefinden ist nach den Erhebungen der jüngsten Vergangenheit aber die Vergangenheits-Positiv-Orientierung. Menschen mit dieser Perspektive haben ein hohes Selbstwertgefühl und sind mit dem vergangenen und aktuellen Leben zufrieden.
Jeder dieser Typen hat einen spezifischen Wert. Wenn er aber zu stark ausgeprägt ist und die anderen ausschließt oder einschränkt, kann er nach Einschätzung von Frau Dr. Boniwell störend werden und für Unwohlsein in verschiedenen Situationen sorgen
Wer sein Wohlbefinden in Bezug auf die Zeit überprüfen und stärken will, kommt also nicht umhin, sich klar zu werden, welche Zeitperspektive er hat. Das Ende des Jahres ist dafür eine gute Gelegenheit.
Die ausgewogene Zeitperspektive
Ist man sich darüber im Klaren, geht es darum, so oft als möglich nach einer ausgewogenen Zeitperspektive zu streben. Ziel ist dabei, je nach Lage eine Perspektive einzunehmen, die der konkreten Situation am besten entspricht. Arbeitet man an einem konkreten Projekt, das zu einem bestimmten Datum fertig sein muss, ist sicher die Zukunftsperspektive angemessen. Ein Treffen mit der ganzen Familie hat nicht selten eine Vergangenheitsperspektive, die von Erinnerungen der gemeinsamen Zeit profitiert. Für viele Hobbies ist sicherlich eine präsent-hedonistische Perspektive angemessen.
Gelingt es, in den verschiedenen Situationen die angemessene Perspektive einzunehmen, kann ein Gefühl des Wohlbefindens erreicht werden. Trotzdem bleibt die Zeit ein knappes Gut und es ist hilfreich auf die eine oder andere bewährte Praxis zurückzugreifen, die uns hilft, besser mit der Zeit umzugehen. Einige Denkanstöße dafür:
Praktische Hinweise für ein positives Zeitempfinden
Um sich in dem jeweiligen Zeitabschnitt wohl zu fühlen, ist es natürlich immer gut, sich mit Aktivitäten zu beschäftigen, die man gerne tut. Das ist leider oft nicht möglich. Gerade bei Dingen, die man mit einem Gefühl des Widerstrebens erledigt, ist es hilfreich, sich bewusst zu machen, warum sie notwendig sind und nicht einfach nach der Devise zu handeln; „Augen zu und durch“.
Wichtig ist auch, immer wieder zielgerichtet dafür zu sorgen, dass man täglich etwas Zeit für sich selbst hat. An einem turbulenten Tag zwischen Arbeit, sozialem Engagement und Familie kann es leicht passieren, dass man nicht die Zeit für einen Blick ins Buch, Meditation oder andere persönliche Sachen findet. Das führt zwangsläufig zu einem negativen Zeitempfinden. Hier braucht es den bewussten Vorsatz, persönliche Zeit fest in den Tages- und Wochenablauf einzuplanen.
Wenn Menschen über Zeit reden, sprechen sie oft über Leistung und Fertigstellung. Es ist erstaunlich, wie hilfreich es ist, jeden Tag etwas zu erledigen, das auch wirklich fertig wird. Die Palette dafür ist fast unerschöpflich. Sie reicht vom Schreibtisch aufräumen über Schularbeiten mit den Kindern bis hin zur Beantwortung der täglichen Mails.
Es kommt letztlich darauf an, bewusst ein positives Gefühl für seine Zeit zu entwickeln, sich nicht von ihr treiben zu lassen und sich planmäßig möglichst viele Abschnitte zu schaffen, in denen man sich wohlfühlt und zufrieden ist..
Quellen:
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