Den Sprung wagen: Wie wir uns von destruktiven Gewohnheiten und Ängsten befreien
- Mailin Modrack
- 30. Juli
- 2 Min. Lesezeit

„Der Moment, in dem wir unangenehme Gefühle bemerken – Angst, Wut, Eifersucht –, ist ein wertvoller Augenblick. Er ist der Schlüssel zur Befreiung.“ – Pema Chödrön
In ihrem Buch „Den Sprung wagen“ (Originaltitel: Taking the Leap) widmet sich Pema Chödrön einem zentralen Thema menschlicher Erfahrung: der Schwierigkeit, mit Ungewissheit, Schmerz und innerer Reaktivität umzugehen. Basierend auf der tibetisch-buddhistischen Lehre des Shenpa – dem Mechanismus des „Festhakens“ an Emotionen und inneren Mustern – erklärt Chödrön, wie wir lernen können, einen Raum zwischen Reiz und Reaktion zu kultivieren.
Dabei verfolgt sie einen alltagspraktischen, aber tiefgründigen Ansatz: In Momenten von innerem Widerstand und Unbehagen sollen wir innehalten, statt reflexartig zu reagieren. Diese Haltung des bewussten Nicht-Ausweichens ist der „Sprung“, den sie beschreibt – ein Sprung nicht ins Unbekannte, sondern ins Gegenwärtige. Das Buch vermittelt Werkzeuge für diesen Weg, ohne ihn zu idealisieren. Vielmehr zeigt Chödrön, dass wahre Transformation in der Bereitschaft liegt, sich selbst ganz zu begegnen, gerade wenn es unangenehm wird und wir Emotionen wie Trauer, Schmerz oder Verzweiflung erfahren – solche, von denen wir uns häufig zu betäuben versuchen.
Pema Chödrön – Eine außergewöhnliche Lehrerin
Pema Chödrön, geboren 1936 als Deirdre Blomfield-Brown in New York, lebte lange ein bürgerliches Leben als Lehrerin, Ehefrau und Mutter, bevor sie sich – nach tiefgreifenden persönlichen Krisen – dem Buddhismus zuwandte. In den 1970er-Jahren wurde sie Schülerin des tibetischen Meisters Chögyam Trungpa Rinpoche, von dem sie in eine Praxis eingeführt wurde, die spirituelle Tiefe mit westlicher Psychologie verband. 1981 wurde sie als erste westliche Frau zur bhikkhunī (buddhistische Nonne) der tibetischen Vajrayana-Tradition ordiniert. Heute lebt Chödrön im Gampo Abbey, dem ersten tibetisch-buddhistischen Kloster Nordamerikas, und gilt als Brückenfigur zwischen östlicher Weisheit und westlicher Lebenswelt. Ihre Bücher, insbesondere „Den Sprung wagen“ und „Wenn alles zerfällt“, sind mittlerweile Grundlagenwerke moderner kontemplativer Praxis.
Zwischen Achtsamkeit und Akzeptanz – Wissenschaftliche Perspektiven
Chödröns Ansatz des bewussten Innehaltens wird heute zunehmend auch von der Psychologie aufgegriffen. Besonders relevant ist in diesem Zusammenhang eine Studie von Kuyken et al. (2015) zur achtsamkeitsbasierten kognitiven Therapie (MBCT). Diese zeigte, dass MBCT das Risiko eines Rückfalls in Depression signifikant senken kann – und zwar vor allem durch die Fähigkeit, Gedanken und Emotionen achtsam und nicht-reaktiv zu beobachten. Was Chödrön spirituell beschreibt, wird hier empirisch greifbar: Das Nicht-Mitgehen mit inneren Impulsen hat psychische Stabilität zur Folge. „Das Ziel ist nicht, uns zu verbessern. Das Ziel ist, uns selbst vollständig zu begegnen – genau hier, genau jetzt“, sagt Pema Chödrön.
„Den Sprung wagen“ bietet damit eine dichte, zugleich zugängliche Einführung in eine Praxis, die Mut erfordert, aber keine äußeren Voraussetzungen. Es richtet sich an Leser*innen, die sich mit ihren eigenen Reaktionsmustern auseinandersetzen wollen, und es liefert eine poetische, klare und zugleich tief erfahrungsbasierte Anleitung, das Leben nicht zu vermeiden, sondern vollständig zu bewohnen.
Titel: Den Sprung wagen: Wie wir uns von destruktiven Gewohnheiten und Ängsten befreien
Autorin: Pema Chödrön
ISBN: 978-3442338719
Quelle
Kuyken, W., Hayes, R., Barrett, B., Byng, R., Dalgleish, T., Kessler, D., ... & Williams, M. (2015). Effectiveness and cost-effectiveness of mindfulness-based cognitive therapy compared with maintenance antidepressant treatment in the prevention of depressive relapse or recurrence (PREVENT): a randomised controlled trial. The Lancet, 386(9988), 63–73. https://doi.org/10.1016/S0140-6736(14)62222-4