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Toxic Positivity: Wie wir uns von dem Druck befreien, immer glücklich sein zu müssen

Aktualisiert: vor 3 Tagen


Environmental Psychology, Steg, de Groot, make hope happen

Die Psychotherapeutin Whitney Goodman erklärt, wo die optimistische Grundhaltung in eine toxische Positivität kippt. Eine positive Grundhaltung kann die eigene Selbstwirksamkeit stärken und zahlt häufig auch auf ein Bedürfnis nach Kontrolle und Hoffnung ein. Dennoch ist positives Denken limitiert – und zwar dann, wenn existenzielle Erfahrungen wie Krieg, Krankheiten, Diskriminierung oder Naturkatastrophen unseren Alltag determinieren.

 

Goodman schildert, dass sich Menschen und insbesondere Patient*innen von bunt illustrierten Motivationssprüchen und floskelhaften Antworten von Familie und Freundeskreis wie: „Positivity is key“ zunehmend nicht mehr ernst genommen fühlen. Und noch mehr – die  Annahme, nur in positiver Gestimmtheit wertvoll und geliebt zu sein, verstärkt das Erleben von Scham, Wut und Frust. Das Verleugnen gesunder Emotionen kann gefährlich werden und sogar in toxischer Positivität in Bezug auf Trauer, Rassismus und existenzielle Erfahrungen wie dem Verlust eines nahen Angehörigen münden.

In neun Kapiteln erzählt Goodman jeweils eine Patient*innen-Geschichte und der geschilderten Erfahrung mit toxischem Optimismus. „Was würde passieren, wenn Sie nicht dauerhaft glücklich wären?“, fragt sie Patient*innen wie Tory, die in einer Schleife der permanenten Selbstoptimierung feststecken und ihr Glück im Außen suchen. In ihrer therapeutischen Arbeit stellt sie fest, dass ein Schlüssel zu echter Zufriedenheit in der Selbstakzeptanz liegt: „Solange Tory nicht lernt, ihren Blick nach innen zu richten und sich damit auseinanderzusetzen, welchen äußeren Einflüssen sie ausgesetzt ist, wird sie weiterhin an den falschen Stellen nach Kontrolle streben und sich Vorwürfe machen, wenn sie nicht gelingt.“ (Goodman, 2023, S.41).

 

Die Kontexte, in denen wir toxischem Optimismus begegnen, sind weitreichend und unterschätzt. So finden wir Plattitüden und fehlende Empathie im Gesundheitssystem bei Ärztinnen und Pflegern, aber auch an Arbeitsplätzen, die stets eine „positive Kultur“ oder das „Wir-Gefühl“ postulieren und somit echten unternehmerischen Wandel und Fortschritt, der auch die Hinwendung zu Problemen voraussetzt, verhindern. Insbesondere soziale Netzwerke erlebt die Autorin als einen Pool des gnadenlosen Strebens nach Glück. Um einen Gegenentwurf hierfür zu finden, sammelt Goodman seit 2019 vermeintliche „Glückssprüche“ und teilt diese auf ihrem Instagram-Account. Unter dem Profil „sitwithwhit“ formuliert sie jeweils auch eine Alternative. Die Resonanz darauf ist gleichermaßen groß wie kontrovers.

 

Abgeleitet aus den Erlebnisberichten ihrer Patient*innen identifiziert Goodman vier Aspekte, die gelingende Kommunikation möglich machen und den Positivitätsdrang aushebeln: Neugier, Verständnis, Validierung und Empathie. An vielen Stellen des Buches gibt die Autorin Formulierungen und Sätze vor, die Türöffner für echte Begegnungen sein können und im Alltag deutlich hilfreicher sind, wenn wir anderen beistehen wollen. Damit wird die Auseinandersetzung mit Negativem möglich, die somit in ein authentisches zwischenmenschliches Miteinander führt, anstatt Personen als „negativ“ oder „unzulänglich“ zu stigmatisieren.




Titel:

Toxic Positivity: Wie wir uns von dem Druck befreien, immer glücklich sein zu müssen.

Autorin:

Whitney Goodman

ISBN:

978-3-426-67625-7


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